Pater Wolfgang Stickler: „Wir machen keine Türen zu“
Dominikanerpfarrei in Braunschweig lädt auch Menschen zum Gottesdienst ein, die aus der Kirche ausgetreten sind.
Die Austrittszahlen aus der katholischen Kirche haben im vergangenen Jahr einen traurigen Rekord erreicht, über 13.000 Menschen kehrten im Bistum Hildesheim der katholischen Kirche den Rücken, in Braunschweig sind über 800 Menschen ausgetreten. Die Dominikanerpfarrei St. Albertus Magnus im Univiertel geht hier ihren eigenen Weg. Sie bedauern jeden einzelnen Austritt, wollen jedoch für diese Menschen weiterhin da sein und laden die Ausgetretenen aktiv zu ihren Gottesdiensten und den Sakramenten ein. „Wir machen keine Türen zu,“ betont Pater Wolfgang Stickler. Er spricht hier auch im Namen seiner Mitbrüder.
„Wir haben dieses Angebot für Ausgetretene bei uns in der Gemeinde, weil eine ganze Reihe von Leuten aus Verärgerung über den Zustand der katholischen Kirche austreten und nicht, weil sie mit dem Glauben nichts mehr anfangen können“, erläutert der Dominikanerpater. Und das Angebot wird angenommen.
Gründe, die Menschen bewegten, sich gegen die Kirchenmitgliedschaft zu entscheiden, sind nach Erfahrung des Geistlichen stockende Reformen und der Umgang der Kirche mit drängenden Fragen. Dazu zählten sexueller Missbrauch, die Machtverteilung in der Kirche, die Anerkennung der Vielfalt von Lebensweisen oder die Rolle der Frau. „Die Rolle der Frau akzeptieren selbst gestandene ältere Katholikinnen nicht mehr“, so der Dominikaner. Er könne keinem Mädchen, keiner Frau erklären, warum sie nicht Priesterin oder Diakonin werden könne. „Auch das Verbot aus Rom von Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare hat wahnsinnig viele verärgert“, betont Pater Wolfgang.
Aufgrund starker Proteste habe sich hier vielerorts einiges bewegt, gerade auch im Bistum Hildesheim. Große Wirkung hatte der Dokumentarfilm „Wie Gott uns schuf“ im Februar 2022. Die ARD-Produktion handelt vom Coming Out zahlreicher Kirchenmitarbeitenden, die nicht ins heterosexuelle Raster passen. Das Bistum Hildesheim gehörte mit einigen anderen deutschen Bistümern zu den ersten, die ihren kirchlichen Angestellten versicherten, dass ihre sexuelle Orientierung keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen habe. So wurde Anfang des Jahres ein modernes kirchliches Arbeitsrecht für alle deutschen Bistümer geschaffen, nach dem sich der Kernbereich privater Lebensgestaltung dem Zugriff des Dienstgebers entzieht.
„Die Aufgabe der Kirche ist ja eigentlich, die Botschaft Jesu weiterzugeben“, kommt Pater Wolfgang auf den Punkt. Der Geistliche möchte es einfach nicht hinnehmen, dass für manche Menschen „zwischen der Botschaft Jesu die Kirche als Hindernis steht“. „Da möchten wir eine Einladung machen. Wer ausgetreten ist, ist nicht unbedingt fern von der Botschaft und fern von der Kirche, denn Kirche ist auch hier vor Ort“, betont der Pater.