Wenn das ganze Leben zerbricht

Alexandra Schulz hat der Besuch einer Trennungsgruppe sehr geholfen, die Trennung von ihrem Mann zu überwinden und ihren Weg zurück ins Leben zu finden.

Nur geweint hat Alexandra Schulz an einem der Tage bei der Ehe-, Familien- und Lebensberatung (EFL), daran erinnert sie sich ganz genau. „Mir ging es wirklich unterirdisch schlecht“, sagt die Mittvierzigerin heute.

Ihr Mann und sie hatten sich getrennt und die beiden suchten gemeinsam bei der EFL Unterstützung, um den Bruch ihrer Beziehung mit den Kindern zu gestalten.

„Mir wurde an dem Tag klar, dass ich eine Beratung nur für mich brauche. Und so bin ich bei der Paartherapeutin Frau Sandmann gelandet und kurz darauf bei ihrer Trennungsgruppe in Peine.“ Schulz ist inzwischen seit etwa zwei Jahren von ihrem Ehemann getrennt; die Scheidung steht kurz bevor.

„Ich hatte schon nach einem Treffen mit Gleichgesinnten gesucht“, sagt sie eindringlich. Ganz wichtig war ihr, zu sehen, dass sie nicht die Einzige ist, die den Weg der Trennung zu bewältigen hat.

Nach den Herbstferien im vergangen Jahr starteten die Treffen. „Da ging es mir schon noch schlecht, ich war in depressiven Zuständen, in denen ich gar keinen Halt mehr hatte und keinen Sinn mehr im Leben sah. Es war alles so ausweglos“, sagt die zweifache Mutter ganz offen. Alexandra Schulz spricht auch von schönen Momenten, in denen sie ganz bei sich war und von Ablenkung, die half, nicht ganz zu verzweifeln. „Ich hatte Gott sei Dank meine Struktur, meine Arbeit in einer Personalabteilung war eine Stütze für mich, die Kinder abholen, Hausaufgaben zusammen machen, all das war eine gute Ablenkung.“

Ihr Mann hatte die Trennung ausgesprochen. Erst nach und nach versteht sie jetzt die Gründe. „Klar gibt es immer noch Momente, wo ich denke: Kann er nicht wieder einziehen und alles ist wieder normal?“

Sie wollte ihre heile Welt wiederhaben. „In dem Moment bricht alles über einem zusammen. Das ganze Konzept, das ganze Leben bricht zusammen. Die Kinder, die das nicht verstehen und die das gar nicht wollen. Dann dieser Auszug. Alles ging ja so schnell, er hatte ganz schnell eine neue Frau, ganz schnell zog sie bei ihm ein, ganz schnell haben sie ein Haustier gekauft“, erzählt sie aufgewühlt.

Für die temperamentvolle junge Frau war das ein Dämpfer nach dem anderen. „Das ging so aufs Selbstwertgefühl. Warum wollen wir uns plötzlich nicht mehr?“ Nach fast 20 Jahren Beziehung konnte sie das gar nicht verstehen.

Was die beiden stets verbunden hat, war die gemeinsame Sorge um die inzwischen sieben und zwölf Jahre alten Jungs. „Wir haben eine saubere Trennung wegen der Kinder geschafft“, sagt sie zu Recht mit Stolz. Sie trinken gemeinsam Kaffee, fahren mit den Kindern zu fünft an den See und feiern Geburtstage und Weihnachten zusammen. Das macht sie nicht nur für die Kinder: „Das mache ich auch für mich.“

Anfangs war ihre Wut dafür zu groß, aber als die Einschulung des Jüngsten anstand, sprang die starke Frau und Mutter über ihren Schatten. Viele schaffen das nicht in dieser Situation. „Es ist ja nicht alles zerstört zwischen uns, es ist ja noch Freundschaft da“, erklärt sie.

In der schweren Zeit der Trennung war für Alexandra Schulz die Trennungsgruppe mit je zwei gleichgesinnten Männern und Frauen im Familienzentrum St. Elisabeth ein Highlight. Ganz spannend fand sie bei den 14-tägigen Treffen gerade auch die Sicht der Männer. Jeder brachte eine unterschiedliche Geschichte mit und jeder war am Anfang in einer Extremsituation. Die einen litten finanziell stark, die anderen waren emotional noch dabei oder hofften immer noch auf das Kitten der Beziehung. Die Gruppenmitglieder haben sich ein Jahr lang begleitet und gesehen, wie die anderen den Bruch in der Beziehung verarbeitet haben. Dabei kamen sie sich sehr nahe. Auch die verschiedenen Themen der Abende unterstützten Alexandra Schulz. „Und die Selbstreflexion habe ich ganz gut hingekriegt.“

„Ich habe dann für mich auch ganz gute Wege gefunden, weil ich dahinterkam, warum es so gekommen ist, was mit mir selbst passiert war“, findet sie. Der Zeitpunkt der Trennung sei ja nicht die Trennung, das passiere ja schon lange vorher. „Das will nur niemand wahrhaben. Jetzt sind die Momente da, in denen ich genau weiß, weshalb diese Trennung stattgefunden hat und weshalb ich die Beziehung emotional nicht mehr wollte,“ sagt die Frau rückblickend. „Jetzt haben wir ein ganz entspanntes Miteinander in unserem Haus, jetzt ist kein ‚Störfaktor‘ mehr da.“ Sie sagt kein böses Wort über ihn und schildert einen lieben netten Mann, der aber im Lauf der Beziehung immer mehr nur sein eigenes Ding vor Augen hatte.

Manchmal habe der Familienvater den ganzen Tag geschlafen oder beim Einkaufen nur Sachen für sich gekauft. „Er stieg in der Firma auf, hat sich beim xten Sportverein angemeldet und ich war zu Hause bei den Kindern.“ Ihre Frustration stieg und stieg, irgendwann hat sie zu Hause alles allein gemacht. „Wir haben uns so entfernt, vielleicht hätten wir einen Weg finden können, ich weiß es nicht.“ Auch sein starkes Harmoniebedürfnis wurde für Alexandra Schulz zum Problem. „Mal lauter werden und Bedürfnisse äußern war für meinen Mann eine Katastrophe. Klare Worte sind mir aber wichtig. Wenn man still ist, sammelt sich der Groll.“

Inzwischen hat Alexandra Schulz den Weg zurück in ihr Leben gefunden und beschreibt ihre psychische und seelische Verfassung als gut und tut viele Dinge ganz gezielt für sich selbst. Aus der Krise heraus hat sie mit Yoga, Meditieren und Malen begonnen. In den vergangenen Sommerferien unternahm sie eine Malreise ins Kloster Seeon in der Nähe des Chiemsees. Sie nutzte die Gelegenheit, als ihre beiden Söhne mit dem Vater verreist waren. Besonders froh ist Schulz darüber, dass sie endlich wieder in ein Buch eintauchen kann. „Ich habe fast zwei Jahre kein Buch gelesen – außer Selbsthilfeliteratur wie ‚Wenn der Partner geht‘ oder ‚Die Familie zerbricht‘ “. Dabei stehen in ihrem Regal im Wohnzimmer mehr als 600 Titel.

*Name von der Redaktion geändert.

Sabine Moser

NACHGEFRAGT
Wer sich Hilfe holt, zeigt Stärke

Trennungen tun weh. Sie hinterlassen emotionale Wunden und es braucht Zeit, um neue Wege zu gehen. Nancy Nadja Sandmann hat mit ihrer ersten Trennungsgruppe in Peine Männern und Frauen geholfen, ihre Trennungsprozesse emotional besser zu bewältigen. Wir haben bei der Paartherapeutin und Heilpraktikerin für Psychotherapie nachgefragt.

Wie kamen Sie auf die Idee mit der Trennungsgruppe?
 Bei meiner Arbeit in meiner Praxis und bei der Ehe-, Familien- und Lebensberatung in Peine habe ich viel mit Trennungen zu tun und ich wollte eine gute Ergänzung zur Einzeltherapie oder Paartherapie anbieten. In der Gruppe wird die Trennungsproblematik anders aufbereitet und die Gruppe kommt in einen Prozess, in dem sich die Teilnehmer selbst helfen. Es ist auf eine andere Art intensiv als allein in der Einzeltherapie. Untereinander gab es viel Feedback, das war sehr hilfreich für alle Teilnehmer, Männer wie Frauen. Alle sind aufrechter, ja klarer herausgegangen und konnten neue Wege gehen.

Wie sieht das Angebot aus?
Die Trennungsgruppe bietet mehr als eine Selbsthilfegruppe, wo meist nur darüber geredet wird, wie es einem geht. Bei den Abenden führe ich prozesshaft durch das Trennungsgeschehen. Themen sind unter anderem die eigenen Ressourcen, der Stand auf dem Trennungsweg, Selbstwert und Selbstfürsorge, Schuldgefühle oder Loslassen und Verzeihen. Methodisch arbeite ich mit „Focusing“ – einer behutsamen Form der Körperpsychotherapie. Es hilft bei Blockaden, Ängsten und traumatischen Erlebnissen. Die Themen der ersten Runde haben sich bewährt, im März plane ich die nächste Trennungsgruppe.

Was macht eine Trennung so schwer für die Menschen?
 Man kann eine Trennung mit einem Trauerjahr vergleichen, wenn ein geliebter Mensch stirbt. Die allermeisten Menschen fällen so eine Entscheidung nur, wenn es gar nicht anders geht. Wenn jemand denkt, eine Trennung ist nach vier Wochen durch, setzt er sich nicht richtig mit sich auseinander und läuft Gefahr, ins nächste Chaos zu stolpern. Eine Trennung ist eine existenzielle Erfahrung, sie geht ans Eingemachte. Gerade, wenn es eine lange Beziehung mit Erwartungen, Hoffnungen, Kindern und Eigentum war. Wenn dieses gemeinsame Leben kaputt geht, ist die Trennungserfahrung mit starker Trauer, Wut und Ohnmacht verbunden.

Was ist Ihnen bei Ihren Treffen besonders wichtig?
 Es geht mir um die emotionale Lösung, also wie löse ich mich emotional von meinem Partner, sodass ich wieder freier weiterleben kann. Der Umgang in der Gruppe war sehr rücksichtsvoll. Oft wird vergessen, dass Trennungen wehtun und es Zeit braucht, den Schmerz zu verarbeiten. Verdrängen Betroffene ihren Schmerz, bremsen sie sich oft aus und blockieren sich. Oft wollen sie die gemeinsamen Jahre aus ihrem Leben streichen. Einfacher wird es, wenn sie die Trennung akzeptieren und erkennen, dass nicht alles abreißt. Nach einer Trennung ist es nicht immer gut, alles abzubrechen. Manches darf auch weiterleben, wie die gute Beziehung zu den Kindern. Das Gute darf bleiben.

In welcher Phase der Trennung eignet sich die Gruppe am besten?
Das ist schwierig zu sagen. Für manche eignet sich die Gruppe direkt frisch nach der Trennung. Es waren aber auch Teilnehmer dabei, bei denen die Trennungen einige Jahre her waren. Der Prozess ist so unterschiedlich langsam oder schnell. In manchen Bereichen sind die Menschen schon weiter, in anderen Phasen wird noch an etwas festgehalten. Im Grunde haben alle Teilnehmer gespürt, dass da noch etwas ist, was hängt.

Was raten Sie Menschen, die unter einer Trennung leiden?
 Es gibt ja Menschen, die machen viel mit sich allein aus. Wenn ein Betroffener aber merkt, dass er festhängt, ist es schon hilfreich, jemanden von außen zu holen – also zu schauen, wo man Unterstützung bekommt. Auf Dauer ist es nicht gut, sich zu verkriechen. Sich Hilfe zu holen ist keine Schwäche, im Gegenteil, es ist eine Stärke. Auch eine Trennungsgruppe zu besuchen, kann hilfreich sein.

Interview: Sabine Moser

Am 8. März startet in Peine eine neue Trennungsgruppe. Anmeldungen und Fragen sind zu richten an Nancy Nadja Sandmann: Telefon 01 75 / 625 17 05 oder per E-Mail: Nancy.Nadja.Sandmann(ät)t-online.de.