„Jeder Dienstag ist eine Überraschung“

Einmal pro Woche treffen sich im Liebfrauenmünster St. Aegidien in der Fastenzeit Gläubige zur Frühschicht.

Gegen 6 Uhr ist es auf dem Spohrplatz in Braunschweig gerade noch dunkel, nur aus der angrenzenden St. Aegidienkirche und im Leisewitzhaus auf der gegenüberliegenden Seite scheint einladend Licht. Etwa ein Dutzend Gläubige sind zur Frühschicht in der Fastenzeit gekommen. Sie versammeln sich hinter dem Altar einige Stufen hoch im Chor des Liebfrauenmünsters St. Aegidien vor einem Bild einer Kreuzwegstation. Es wird mit einem Kreuz aus Kerzen auf dem Boden erleuchtet. Sonst ist es dunkel in der Kirche.

Das Bild ist eines der 14 Stationen vom Kreuzweg, den Diakon Klaus Kilian geschaffen hat. Es zeigt, wie Simon von Cyrene Jesus hilft, das Kreuz ein Stück weit zu tragen.

Marieluise Henkel hat die Morgenandacht heute vorbereitet und gibt den Besucherinnen und Besuchern in dem feierlichen Rahmen  Impulse mit auf den Weg in den Tag: „Du kreuzt mit deinem Kreuz meinen Weg.“ oder „Lass mich den Mut aufbringen, wenn es an mir ist, die Rolle von Simon von Cyrene zu übernehmen.“

Die Menschen sind aufmerksam dabei, ruhen regelrecht in der Stille des Gebetes. Außer der Stimme von Marieluise Henkel  ist kaum ein Ton zu hören. Langsam wird es heller, die Menschen singen Lieder und beten das Vaterunser.

Schon ist die Frühschicht vorbei und alle bereiten das gemeinsame Mitbring-Frühstück im Leisewitzhaus vor. Die Brötchen kommen von einem Bäcker aus dem Viertel, Kaffee und Tee stehen schon bereit. Hier ist nichts mehr von Stille zu spüren.

„Heute war es sehr schön“, sagt eine Frau in der Mitte der Frühstückstafel. Die Menschen unterhalten sich angeregt, ein junger Vater bekommt ein Willkommensgeschenk für seine kleine Tochter überreicht – man kennt sich. Viele der Anwesenden sind schon seit Jahren oder Jahrzehnten mit dabei. Über Neuzugänge freut sich die offene Gruppe aber sehr.

Die Gespräche kreisen über die Frühschicht, es wird übers Intervallfasten diskutiert, das in diesem Jahr groß in Mode sein soll und man tauscht sich über die mitgebrachten selbstgemachten Marmeladen aus.

Einige trauen sich nach einer Weile, auch selbst eine Morgenandacht zu gestalten. „Unterschiedliche Menschen haben bei der Vorbereitung eine unterschiedliche Herangehensweise. Das hat auch mich ermutigt, einmal eine Andacht zu leiten“, sagt Georg Lyzwa. Er kommt seit 2006 zu den Morgenandachten, weil er diese frühe Morgenstunde richtig gut findet: „Es ist mir ein inneres Bedürfnis.“

Doris Neddermeier  wird oft von ihrer Tochter begleitet, die anschließend zur Arbeit muss. „Das tut mir so unheimlich gut“, erzählt sie lächelnd. Regina Polatzek ist die Gemeinschaft wichtig und die Vorbereitung auf Ostern und die Fastenzeit. „Sonst kann man es mit der Arbeit und der Familie nicht ganz so strukturiert machen“, sagt sie. Sie ist seit 20 Jahren immer mit dabei. Einige müssen nach dem Frühstück zur Arbeit, andere sind inzwischen im Ruhestand.

So auch Christl Schneider, die in den 1990er Jahren als Gemeindereferentin gemeinsam mit Martin Karras, einst Kaplan in St. Aegidien, die Frühschichten - ursprünglich für die Jugend - ins Leben gerufen hatte. Es kam ein wenig anders: "Über dei Jahre hat sich eine Stammgruppe von Erwachsenen herauskristallisiert, die au dem ehemaligen Kreis für Exerzitien im Alltag stammt", erläutert Chistl Schneider.

Ausnahme ist da wohl Alex Weber, der frischgebackene Vater: „Ich bin seit der Firmung mit dabei.“ Er macht seit 15 Jahren mit.

Wie in jedem Jahr gestaltet Kornelia Jasper auch in dieser Fastenzeit eine Frühschicht: „Jeder spricht über das, was ihn bewegt, das Evangelium oder eine Station aus dem Kreuzweg.“ „Jeder Dienstag ist eine Überraschung“, sagt die Landesrichterin a.D. über die gestalterische Freiheit.

Kommende Frühschichten in der Fastenzeit:
Immer dienstags in der Fastenzeit sind alle Gläubigen um 6 Uhr zu einer etwa 30-minütigen Andacht in die Kirche St. Aegidien (Ägidienmarkt 12a) eingeladen. Im Anschluss Frühstück im Begegnungsraum des Leisewitzhauses (Ägidienmarkt 12). Kommende Termine: 26. März sowie 2., 9. und 16. April.

 

Sabine Moser