„In Kirche über Kirche reden“

Frust und Lust, Klage und Tanz, Gehen oder Bleiben? – so die Fragen beim Gesprächsforum der katholischen Kirche in Braunschweig zum Auftakt der Visitation.

Am Donnerstagabend ging es im Leisewitzhaus ans Eingemachte: Frau in Kirche, Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs, Amt und Macht, das Image der Kirche und manches mehr wurden hier thematisiert. Eingeladen waren Engagierte im Haupt- oder Ehrenamt aus den Pfarreien und Einrichtungen im Dekanat Braunschweig. Knapp 60 Menschen aus Braunschweig, Wolfenbüttel und Peine samt Umgebung folgten der Einladung und diskutierten leidenschaftlich darüber, was sie an ihrer Kirche ärgert und was sie hält, zu bleiben.

In Kleingruppen erstellten die Frauen und Männer Plakate zu den einzelnen Themen und im Anschluss hatten alle zwei Stimmen, um sich auf besonders wichtige Punkte zu fokussieren. „Die Weihe der Frau ist überfällig“, „Zu hohe Anforderungen an Ehrenamtliche“, „mangelnde Transparenz“, „Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs“, „Wo bleibt das proaktive Handeln der Kirche?“ und „Problem: Kirchenrecht“ führen die Liste an.

„Wir möchten mit dieser Veranstaltung den schwerwiegenden Themen in der katholischen Kirche einen ausdrücklichen Raum innerhalb der Kirche geben – und das pfarreiübergreifend“, betont Propst Martin Tenge, Dechant und Pfarrer der Innenstadtgemeinde St. Aegidien. „Diese Themen werden meist privat oder öffentlich in den Medien diskutiert, aber die Organisation, die es betrifft, spricht sie nicht an“, so Tenge. Der Propst ist Teil der Vorbereitungsgruppe, die mit diesem neuen Format angetreten ist. Zur Vorbereitungsgruppe gehören außerdem Gemeindereferentin Gabriele Engler, Caritasvorstand Matthias Konrad und Christiane Kreiß von der Pfarreileitung St. Petrus in Wolfenbüttel. Pastoralreferent Ricardo Wickert aus Göttingen moderierte den lebendigen Abend.

Dabei ginge es durchaus nicht nur um Frustthemen, „Was hält mich an der Kirche?“ war eine weitere wesentliche Fragestellung beim Gesprächsforum. Nächstenliebe, die christliche Botschaft, Menschen, die in der Not da sind, Glaube, Spiritualität, Begegnung mit Jesus, Feste und Kirchenmusik sind nur einige wenige Beispiele, die die Menschen zum „Tanzen bringen“ und an ihrer Kirche festhalten lassen.

Das Gesprächsforum zu den zahlreichen spannungsgeladenen Themen rund um die katholische Kirche war eine Veranstaltung zum Auftakt der Visitation im Dekanat Braunschweig. So begleitete der Visitator Weihbischof Heinz-Günter Bongartz die Veranstaltung und stellte den Gläubigen offen seine Sicht der Dinge dar. Beispielsweise betonte er bei der Frauenfrage: „Ich trage in meinem Herzen wirklich den Wunsch, dass wir in der Kirche als Mann und als Frau in guter Weise und gleichgestellt miteinander umgehen.“ Die Weihe der Frau sieht er in Hinblick auf die Weltkirche politisch jedoch momentan als schwierig, „theologisch ist es meiner Meinung nach argumentierbar“.

Die Grundabsicht der Visitation ist, das kirchliche Leben in den Pfarreien wahrzunehmen, die Menschen zu ermutigen und zu stärken sowie Orientierung für den pastoralen Weg zu geben. „Es ist ja so, dass ich in jede Gemeinde kommen werde, und an den Abenden sind Sie eingeladen, die Themen zu bestimmen, womit Sie mit mir ins Gespräch kommen wollen“, macht der Weihbischof das Angebot, Themen zu vertiefen.

„Es ist Lust und Frust, es ist immer beides und das zusammenzukriegen ist die große Kunst“, sagt Propst Tenge am Abschluss. Tenge freut sich über den Erfolg des Abends, spürt, dass noch viel Gesprächsbedarf besteht, da in der Kürze der Zeit Vieles nur angerissen werden konnte und sagt: „Wir werden versuchen, Formate zu finden, die einladend sind, um in Kirche über Kirche zu reden und damit auch immer über sich und den eigenen Glauben.“

Sabine Moser