Garten, Stern und Bienen

Der katholische Friedhof St. Barbara in Peine-Telgte verbindet Trauern, Gedenken und Begegnen, sagt Friedhofsverwalterin Petra Burgdorf.

Pflegeleichte Erdwahlgrabstätten, Baumbestattungsurnengrabanlage, Epochenerinnerungsplatz, Vogelstrauchhecke, – Petra Burgdorf kommen diese doch zungenbrecherischen Begriff leicht über die Lippen. Die 55-jährige Bürokauffrau ist Verwalterin des Friedhofes der Pfarrei Zu den Heiligen Engel in Peine, der sich von der St.-Barbara-Kapelle in den Stadtteil Telgte erstreckt.

Die trockenen Zahlen hat Petra Burgdorf schnell erzählt: 1953 wurde der Friedhof angelegt, 1960 wurde St. Barbara geweiht. Der Friedhof verfügt über zwölf Grabfelder mit 2518 Gräber auf eine Fläche von 22209 Quadratmetern. Das entspricht immerhin drei Fußballfeldern. Oder 2000 Quadratmeter mehr als der Petersdom. Der Hildesheimer Mariendom würde knapp 23mal Platz haben.

Aber es geht Petra Burgdorf nicht um Zahlen. Natürlich: Auch ein Friedhof muss sich rechnen und Grabstätten müssen verkauft werden. Er ist eine Ruhestätte, ein Ort, an dem Angehörige trauern und gedenken können.

Doch wie gedenken? Stichwort „pflegeleichte Erdwahlgrabstätten“. Auch für eine Kreisstadt wie Peine gilt, dass immer weniger Hinterbliebene sich für ein großes Erdgrab mit Sarg und eigener Pflege entscheiden. „Wir möchten daher den Angehörigen entgegenkommen, um gemeinsam mit ihnen die Form zu finden, wie sie das Gedenken an ihre Verstorbene gestalten können“, erläutert Petra Burgdorf. Klassische Gräber, auch mit mehreren Grabstellen, oder pflegeleicht in kleineren Dimensionen – das ist alles möglich. Mit Grabstein und individuell gestaltet. Bestattet wird auch im Garten der Erinnerung: „Das sind drei Grabfelder, die von uns mit Blumen und Dauergewächsen gestaltet werden“, beschreibt es Petra Burgdorf. Die Namen der Verstorbenen sind dann auf einer Stele zu finden: „Es können auch kleine Pflanzschalen und Grabkerzen angelegt werden.“

Bei zwei weiteren dieser Grabfelder stockt Petra Burgdorf kurz: dem Sternen- und dem Herzgrabfeld, benannt nach ihrer Form. Das Sternengrabfeld ist für Kinder angelegt, die kurz vor oder um die Geburt herum gestorben sind, das Herzfeld für Kinder bis zum 10. Lebensjahr. „Auch hier möchten wir die Eltern von der Pflege entlasten, bieten ihnen aber die Möglichkeit gravierte Gedenkplatten, Figuren, Kerzen oder Pflanzschalen aufzustellen.“

In den Gärten der Erinnerung werden neben Särgen auch Urnen beerdigt. Wieder gilt: Auch in Peine nimmt die Zahl der Urnenbestattungen zu. „Mittlerweile haben wir hier knapp 50 Prozent Urnengräber“, berichtet Petra Burgdorf. Häufig wird unterm grünen Rasen beerdigt, der Name der Verstorbenen wird auf einer Stele oder einem Gedenkstein verewigt. „Wir haben aber gemerkt, dass viele Angehörige doch den konkreten Platz wissen möchten, wo ihr Angehöriger liegt“, macht Petra Burgdorf geltend. Denn sie möchten doch etwas als Zeichen der Erinnerung niederlegen. Stichwort „Baumbestattungsurnengrabanlage“: Deshalb wurde die Möglichkeit geschaffen, biologisch abbaubare Urnen unter Bäumen zu bestatten - auch mit einer individuellen Grabplatte, zum Beispiel in einem ringförmig gestalteten Feld. „Trauern ist schmerzhaft genug“, sagt Petra Burgdorf: „Wir möchten Hinterbliebenen aber etwas von der Belastung nehmen, in dem sie eine gute Ruhestätte finden können.“

Der Friedhof ist zudem ein gesellschaftlicher Gedenkort. Vier Felder erinnern an die Toten des zweiten Weltkrieges: an deutsche Opfer, an die Opfer von Kriegsgefangenen aus der ehemaligen Sowjetunion, aus Polen, Rumänien und Ungarn. Die Steine eines Grabfeldes tragen nur die Namen von Frauen, die alle am gleichen Tag umgekommen sind – am 22.2.1945 bei einem Bombenangriff. Ihnen wurde als Zwangsarbeiterinnen der Schutz in Bunkern verwehrt.

Ein weiteres Mahnmal erinnert an ein Unglück im Eisenerzbergwerk Grube Peine, dass bis 1968 bestand. Am 22. Januar 1946 stürzten 45 Bergleute in die Tiefe als sich das Seils ihres Förderkorbs löste. Nur ein Bergmann überlebte schwerverletzt. „Erinnerung ist etwas, das zu unserem Friedhof dazugehört“, betont Petra Burgdorf. Stichwort „Epochenerinnerungsplatz“. Damit verbindet sich die Idee einen kleinen Platz mit alten Grabsteinen anzulegen. „Das zeigt dann die unterschiedliche Gestaltung, auch die unterschiedliche Trauerkultur“, erläutert Petra Burgdorf.

Bleibt noch das Stichwort „Vogelstrauchhecke“. Für Petra Burgdorf ist der Friedhof ein ökologischer Ort. Die Kommunionkinder von Hl. Engel haben im Frühjahr eine Bienenweide angelegt, totes Holz bleibt für Insekten und Igel liegen, in dem Turm der St.-Barbara-Kapelle sollten Turmfalken einziehen und eben jene Hecke mit Sträuchern für Vögel wurde gepflanzt. Große, dunkle und geschädigte Thuja sind neu gepflanzten Buchen gewichen.

„Dadurch wird auch der Blick auf den Friedhof wieder frei“, sagt Petra Burgdorf. Sie versteht das als Einladung: „Wir wünschen uns sehr, dass unser Friedhof ein Ort der Begegnung im Stadtteil wird.“ Für einen Spaziergang, zum Luft holen, Nachdenken oder einfach auf einer Bank Platz zu nehmen: „Dazu möchten wir gern einladen.“

 

Rüdiger Wala