Die Zelle leuchtet

Vor zwei Jahrzehnten konvertierte Detlef Schötz zum katholischen Glauben, wenig später ließ er sich zum Diakon weihen. Seitdem dient er den Armen in der Braunschweiger Gemeinde St. Aegidien und im Untersuchungsgefängnis.   

„Nicht teilzuhaben, das war mir als Kind nicht fremd“, sagt Detlef Schötz. Von seinen Eltern hat er gelernt, was es heißt, nicht aus der Fülle leben zu können. Sie sind 1960 aus der ehemaligen DDR geflüchtet und haben sich ihre Existenz im Westen neu aufgebaut. Ihre ersten Möbel waren Obstkisten und einmal in der Woche ist die Familie zum Baden in eine öffentliche Badeanstalt gefahren. „Wir waren im Schwabenland lange Zeit als Rucksackdeutsche gebrandmarkt. In die Dorfgemeinschaft sind meine Eltern erst hineingewachsen, als sie sich sozial und finanziell berappelt hatten“, sagt Schötz.

Heute engagiert er sich für Menschen, die am Rande stehen. So will er Häftlingen zu Weihnachten eine Freude machen. Besonders weil an diese Menschen fast niemand denkt. Viele erfahren, dass ihre sozialen Kontakte während der Haft abbrechen, sich Freunde und sogar Familienangehörige distanzieren.

Deshalb hat der Diakon vor mehr als zehn Jahren zusammen mit dem Gefängnisseelsorger Franz-Josef Christoph vom Untersuchungsgefängnis in Braunschweig eine Spendenaktion ins Leben gerufen und bittet zusammen mit seiner Kirchengemeinde St. Aegidien in der Adventszeit um Geldspenden.

In der Haft steht man plötzlich ohne Geld da

Vom Erlös schnürt der Diakon Päckchen. Darin sind Kaffee, Tee, Zigaretten und Süßigkeiten. Für die Inhaftierten in der Untersuchungshaft seien diese Dinge ein echter Luxus, sagt Schötz. „In dem Augenblick, wo man in die Haft kommt, steht man erst mal ohne Geld da und wenn jemand keine Familie im Hintergrund hat, hat man Probleme, sich etwas kaufen zu können.“ Und das sei eher die Regel als die Ausnahme. Das zeigen auch die Reaktionen, die er immer wieder bekommt. „Einer hat mir sogar mal geschrieben: Sie haben meine Zelle leuchten lassen.“

Ein klein wenig Licht bringen, das ist es, was Schötz mit seinen Päckchen erreichen möchte, unabhängig davon, was jemand getan hat. „Trotzdem sind es Menschen, Menschen mit einer Seele, mit einem Herzen. Gott gibt niemanden auf – auch nicht in seiner dunkelsten Ecke.“ Davon ist er fest überzeugt.

Detlef Schötz hilft aber auch Bedürftigen mit finanziellen, psychischen und familiären Problemen, Menschen, die unter häuslicher Gewalt leiden, suchtkrank sind oder kein Dach über dem Kopf haben. Es geht ihm um die Armen und Ausgegrenzten, die nicht teilhaben können an der Fülle der Möglichkeiten. Mit Kleidung und Lebensmitteln unterstützt er sie und vor allem mit einem offenen Ohr für ihre Sorgen und Nöte. „Ich mache das aus meinem Glauben heraus. Ich schaue, wo Menschen ausgegrenzt, wo sie ausgestoßen sind“, sagt der 60-Jährige.

Jeden Dienstag öffnet er mit ehrenamtlichen Helfern eine Lebensmittelausgabe für Bedürftige im Propsteipfarramt St. Aegidien und verteilt dort Waren, die der Braunschweiger Tafel gespendet wurden. Mit den Maltesern hat er einen Mittagstisch initiiert. Jeden ersten Sonntag im Monat ist am Kirchort St. Joseph eine warme Mahlzeit im Angebot. Dort ist Schötz auch für die Kleiderkammer und den Frühstückstreff „Tischleindeckdich“ verantwortlich. Bei all seinen Projekten hat er tatkräftige ehrenamtliche Helfer mit im Boot.

„Irgendwann wurde ich von Jesus ergriffen“

Nach seiner Konfirmation ist Detlef Schötz in Wurmberg bei Pforzheim zum Glauben gekommen. „Ich habe die Konfirmation über mich ergehen lassen und irgendwann kam die Frage: War’s das?“ Durch die Jugendarbeit ist der damals 16-Jährige in die Kirche und den Glauben hineingewachsen. „Es war kein Bekehrungserlebnis, irgendwann hat mich Christus ergriffen.“ Ein Jugendreferent empfahl dem gelernten Einzelhandelskaufmann eine pädagogische Ausbildung. So drückte er vier Jahre lang die Schulbank in der Missionsschule der Bahnauer Bruderschaft in Unterweissach bei Stuttgart. Sein Anerkennungsjahr führte ihn 1983 zur evangelisch-lutherischen St. Mariengemeinde in Wathlingen, die zur Hannoverschen Landeskirche gehört. Dort arbeitete er in der Jugendarbeit, bis er im Jahr 2000 zum katholischen Glauben konvertierte.

„Ich hatte schon immer ein hochkirchliches Herz“, erzählt er. Es gebe ja in der lutherischen Kirche die Gruppierung der Hochkirchler, die ein lutherisch-katholisches Verständnis hätten. „Das war ja in Wathlingen auch so. Wir haben eine lutherische Messe ähnlich der heiligen Messe gefeiert, der evangelische Pfarrer trug Gewänder wie ein katholischer Priester und die Heiligenverehrung war uns nicht fremd“, erläutert Schötz.

Gleich nach seiner Konversion hat er eine zweijährige Ausbildung zum hauptamtlichen Diakon mitgemacht und wurde 2004 im Hildesheimer Dom geweiht. Seit 2002 ist er in St. Aegidien – anfangs als Diakonatsanwärter und später als Diakon – eingesetzt. Hier unterstützt er den örtlichen Pfarrer in der Seelsorge, ist aber vor allem für soziale Aufgaben da.

„Ist Diakon Schötz nicht da?“, ist oft zu hören, wenn jemand anderes in der Propstei die Tür öffnet. Man spürt, dass die Menschen gerne zu ihm kommen. Es geht ihm bei seinen Projekten nicht nur darum, dass die materielle Not der Menschen gelindert wird. „Unsere Treffpunkte sind ja auch Orte der Begegnung, der Gemeinschaft. Viele Menschen sind vereinsamt, sitzen zu Hause, und das ist eine Möglichkeit, die eigene Einsamkeit und Isoliertheit zu durchbrechen“, betont Detlef Schötz. Oft bekommt er auch finanzielle Hilfsanfragen, „weil der Monat wieder lang war und Harz IV ja doch überschaubar von den finanziellen Möglichkeiten her ist“.

Er habe wohl regelrecht ein Helfer-Gen, sagt Schötz schmunzelnd. Und das nicht nur hauptamtlich. In seiner Nachbarschaft hilft er einer Familie mit Drillingen bei der Gartenpflege und unterschützt ein älteres Ehepaar, bei dem der Mann demenziell erkrankt ist.

Sabine Moser