"Armut wird nicht durch Almosen beseitigt"

Beim diesjährigen Auctortag in Braunschweig referierte Oberlandeskirchenrat Dr. Christoph Künkel von der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover über „Arme und Bedürftige als gemeinsame Aufgabe“. Anlässlich des Reformationsjubiläums traf man sich in der gut besuchten St. Martini-Kirche.

Für Christoph Künkel (59) wird Armut gemacht, Nächstenliebe und Barmherzigkeit reichten nicht aus, sie zu bekämpfen. „Armut vergeht nicht“, sagt Oberlandeskirchenrat Künkel in seinem Impulsreferat. Der promovierte Theologe ist auch Vorstandssprecher des diakonischen Werkes evangelischer Kirchen in Niedersachsen.

Dieses Thema soll dazu anregen, sich vor Augen zu führen, dass Armut ein nach wie vor nicht zu vernachlässigendes Thema in der Gesellschaft ist. Das gilt auch für die Stadt Braunschweig, wie Künkel anhand statistischer Daten belegt. Bereits Jesus habe gesagt: „Arme habt ihr allezeit unter euch.“

„Die Aufgabe, Armut einzugrenzen, wird nicht durch Almosen erledigt, sondern durch Rechtssicherheit. Grundsätze der Inklusion sollten dafür handlungsleitend werden“, formuliert er in einer seiner wichtigsten Thesen. Dabei betont Künkel, dass Almosenempfänger keinen Rechtsanspruch haben und Inklusion für alle, die ausgegrenzt werden, gilt.

In seinem Vortrag spannte der 59-Jährigt einen Bogen von der Reformation bis heute. Er setzt sich mit Fakten auseinander und prangert soziale und arbeitspolitische Missstände an – von der Arbeit, die nicht zum Leben reicht über Altersarmut und die Situation von Asylberwerbern bis hin zu der zahlreicher Alleinerziehender.

An der Diskussion um eine Armutsdefinition mag sich Künkel, den Pröpstin Uta Hirschler bei ihrer Begrüßung als Gesicht und Stimme der Diakonie in ganz Niedersachsen bezeichnet hat, nicht beteiligen. Er sieht ganz klar, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird und die Gefahr einer sich immer stärker entsolidarisierenden Gesellschaft. „Es ist Zeit für eine Wende“, fordert er eindringlich von Gesellschaft und Staat.

Einmal jährlich laden katholische und evangelische Kirche sowie die Stadt Braunschweig zum „Auctortag“ ein. Mit dieser Veranstaltung wird seit 2010 an den Stadtheiligen und Schutzpatron von Braunschweig St. Auctor erinnert. Beleuchtet werden dabei Themen zum Verhältnis von Kirche und Gesellschaft. Vertreter von Kirchen und Stadt ins Gespräch zu bringen, ist Ziel des Tages.

Mit seinen Ausführungen hat Künkel dies erreicht: Bereits beim Anstehen für die Häppchen nach der Veranstaltung fingen die Gäste lebhaft an zu diskutieren. Darüber, wie wichtig es ist, das Thema Armut regelmäßig auf die Tagesordnung zu setzen, auch wenn es nicht neu ist. Und darüber, ob Spenden – von Künkel Almosen genannt – nicht doch ein wichtiger Aspekt bei der Armutsbekämpfung sind.

Sabine Moser