Teilen will gelernt sein
Mit Äpfeln bereiten sich die Kinder in der Kindertagesstätte St. Martin in Sickte auf den Martinstag vor. Am Gedenktag des Heiligen wollen sie mit ihren Laternen durch die Straßen ziehen und singen.
Ein Junge zählt bis 14 – so viele Kinder sind heute beim Sitzkreis der „Regenbogengruppe“ mit dabei. Gespannt blicken sie in ihrer Runde auf ein rotes Tuch. Es verhüllt etwas. Zum Vorschein kommt in einem Körbchen die kleine graue Fingerpuppe „Jatze“. Jatze spricht gleich munter darauf los, er besucht die Mädchen und Jungen regelmäßig. Heute hat er einen Korb roter Äpfel dabei. „Wie viele Äpfel hat Jatze euch mitgebracht?“ fragt die Erzieherin Maria Gottschild die Kinder. Diese zählen gemeinsam laut bis fünf.
„Das reicht nicht für alle“, sagt ein etwa vierjähriges Mädchen ganz energisch. „Aufschneiden, dann haben wir mehr als fünf“, ruft Frieda. Sie ist schon fünf Jahre alt.
Die Kinder sind ganz konzentriert bei der Sache und suchen nach Lösungen. Schnell stellen sie fest, dass einmal durchschneiden nicht reicht. „Nochmal durchschneiden“, schlägt Marlene vor. Diesmal hilft Erzieherin Maria Gottschild den Drei- bis Sechsjährigen ein bisschen. Auf die Frage, ob das jetzt reicht, antworten die Kita-Kinder einstimmig mit „Ja“.
Mathematik ist für Erzieherin Gottschild und ihre Kollegen heute nur ein Hilfsmittel, die Mädchen und Jungen sollen kurz vor dem Martinfest aufs Teilen und Abgeben vorbereitet werden. Teilen wie St. Martin fällt ihnen nicht immer leicht.
Sie berichten im Kreis ganz offen darüber: Jonas (5) hat gerne Chips mit Ben und Lorin geteilt, Antonia freiwillig beim Kindertheater von ihrem Getränk abgegeben. Icker (3) berichtet freudig über Apfelstücke, die er von seinem Freund bekommen hat. Marlene musste mit ihren jüngeren Geschwistern – es sind Zwillinge – Schokolade teilen, obwohl sie nur ganz wenig hatte. Das betont sie deutlich.
Auch den Kleinen ist klar, dass Teilen bei Mangel schwieriger ist als im Überfluss. Mathilda würde ihrem Freund Nikolaus wenn er traurig ist, auch ihr einziges Gummibärchen schenken, um ihn zu trösten. Ein Junge ruft ganz aufgeregt dazwischen: „Das kann man doch durchbeißen!“
Beim wöchentlichen Spielzeug-Mitbringtag fällt es einigen Martins-Kita-Kindern schon schwerer, zu teilen. Das Interesse am Spielzeug der anderen ist groß und auf die Frage, ob die Kinder auch ihr Feuerwehrauto abgeben würden, erntet Maria Gottschild ernste Blicke und Antworten von einigen mehr oder weniger zögerlichen „Ja“ über „Nur anschauen“ bis „Nicht so gerne“.
Dass der heilige Martin seinen Mantel gerne geteilt hat, sind sich die Kinder sicher. Dass es darum geht, wissen alle, auch wenn die Legende in diesem Jahr noch nicht thematisiert wurde. Schließlich haben sie schon Laternen gebastelt und noch gute Erinnerungen an die Martinsfeier im vergangenen Jahr. „Letztes Jahr war John der Martin“, sagt die kleine Maria. Einige Kinder spielen nämlich die Martinsgeschichte am Vormittag des Martinstages beim Gottesdienst nach.
„Abends findet dann immer der St.-Martinsumzug mit in der Kita gebastelten Laternen in einem großen Sternmarsch statt“, erzählt Gabriela Jaworsky, Leiterin der Einrichtung. Ziel ist der mit Laternen, Lichtern und Lichterketten erleuchtete Garten der Kita. Der Abend klingt dann bei Kinderpunsch, Martinsgänsen aus Mürbeteig, Hotdogs und Laugenbrezeln aus.
Sabine Moser