Sie kämpft, damit Frauen in Würde leben

Mutig, optimistisch und voller Glauben. Ihre Bankkarriere hängte Lea Ackermann einst an den Nagel und ging als Ordensschwester nach Afrika. Dort gründete sie Solwodi – eine international tätige Organisation für Frauen in Not.

„Man hat mich oft gefragt: Was träumen Sie? Welche Visionen haben Sie? So bin ich gar nicht. Es gibt Situationen, die machen mich wütend. Die kann man nicht einfach so hinnehmen, da muss man doch was machen. Wenn man sich für das Gute einsetzt, ist das immer ein Kampf“, sagt Schwester Lea Ackermann (81). Ihr Schlüsselerlebnis hatte die gebürtige Saarländerin 1985 in Mombasa, der zweitgrößten Stadt Kenias.

Eigentlich war die promovierte Pädagogin dorthin gekommen, um als Missionsschwester Unserer Lieben Frau von Afrika ein Lehrerseminar aufzubauen. Doch dann begegnete sie in der Küstenstadt – einer Hochburg des Sextourismus – jungen Frauen, die davon lebten, sich zu prostitu-ieren. Eine davon war Katharina. Sie war 17 und lebte mit ihrem kleinen Sohn auf der Straße. Den Frauen in Not zu helfen, wurde zu Lea Ackermanns Berufung. „Auf jeden Fall weiß ich, dass ich da etwas tue, was sinnvoll und im Sinne Gottes ist“, sagt sie.

Kein Geld, aber viel guter Wille

Als sie anfing, hatte sie kein Geld, um die Frauen zu unterstützen: „Ich hatte eigentlich nur meine Einsicht und meinen guten Willen. Und da habe ich mich als Ordensschwester natürlich an den lieben Gott gewandt und gesagt: Ich will diesen deinen Töchtern helfen, lass du mich bloß nicht hängen.“

Es hat sie Überwindung gekostet, über 100 Bettelbriefe an Freunde, Verwandte und Bekannte zu schreiben. Letztendlich konnte sie in einer Lagerhalle in Mombasa ein Zentrum für Begegnung und Beratung, Arbeit und Ausbildung errichten. Der Grundstein von Solwodi war gelegt. Bereits 1988 gründete sie Solwodi in Deutschland mit Sitz im rheinland-pfälzischen Boppard als Anlaufstelle für Migrantinnen in Notsituationen.

„Ich habe einfach konkret die einzelne Frau gesehen. Da habe ich gespürt, dass diese Frau ein Kind Gottes ist. Sie hat Gaben und Fähigkeiten bekommen wie ich. Ich habe Chancen gehabt, dass ich diese Fähigkeiten entwickeln konnte, und dieser Frau wurden nie solche Möglichkeiten geboten“, erläutert Lea Ackermann. Seitdem sorgt sie dafür, dass man den Frauen die Chance gibt, etwas zu lernen und sich anders zu orientieren.

Einmal kam eine Frau und sagte: „Dank Solwodi kann ich Ihnen jetzt in die Augen schauen. Früher habe ich nur unter mich geguckt, und die Kerle kamen und haben gesagt: ‚Komm mal her, du Schlampe.‘ Und jetzt bin ich Rebekka, die Kauffrau.“ Das macht die Ordensfrau glücklich.

Die streitbare Katholikin hatte schon immer ihren eigenen Kopf: 1937 im saarländischen Völklingen geboren, trat die Bankkauffrau mit 23 Jahren in den Orden der Missionsschwestern Unserer Lieben Frau in Afrika bei Trier ein. Den Entschluss, Ordensfrau zu werden, fasste sie während eines Auslandsjahres in Paris. Wieder daheim, tanzte sie bei einem Betriebsausflug eine Nacht durch und ging dann morgens in ihren hohen Schuhen und einem eleganten Pariser Modellkleid zur Klosterpforte. „Was müssen sie im Kloster von mir gehalten haben, als sie so eine komische Nudel an ihrer Pforte sahen?“, erinnert sie sich. Am nächsten Tag kündigte sie bei der Bank und trat in den Orden ein. Ihr Vater tobte, ihre Mutter heulte, Lea Ackermann ging ihren Weg.

„Keine Frau macht so etwas freiwillig“

Die Beweggründe ihres Handelns findet sie im Evangelium. Das ist ihr Maßstab. Dabei kommt sie zu Ergebnissen, die manche Menschen erschrecken, andere kritisch-distanziert werden lassen, aber viele auch verwundern und erstaunen. Oft hat Schwester Lea prekäre, traurige Situationen erlebt. Aber vom Jammern hält sie nichts: „Zum Verzweifeln ist gar kein Platz. Es ist manchmal schwer, und ich bin auch manchmal ratlos. Ich finde, man muss immer versuchen, Lösungen zu finden. Manchmal helfen andere, wenn einem die Ideen ausgehen.“ Sie ist davon überzeugt, dass ihr der Glaube große Kraft und Hoffnung gibt.

Heute fordert sie geschlechtsspezifische Asylgründe und ein generelles Sexkaufverbot, damit ein Umdenken einsetzt. Lea Ackermann differenziert längst nicht mehr zwischen Prostitution und Zwangsprostitution, da es sich ihrer Erfahrung nach immer um Formen des Zwangs handelt: „Keine Frau macht so etwa freiwillig.“ Das steht sie für außer Frage.

Zur Sache: Lea Ackermann und Solwodi

Schwester Lea Ackermann gründete 1985 in Kenia ihr Hilfswerk für Frauen in Not Solwodi (Solidarity with Women in Distress). Längst international verbreitet, unterhält die Organisation allein in Deutschland 18 Beratungsstellen und etliche Schutzwohnungen für Frauen und Mädchen, die in Deutschland zwangsverheiratet werden sollen, denen Beschneidung droht oder die von Menschenhändlern hierher verschleppt und zur Prostitution gezwungen werden. Auch weibliche Flüchtlinge wenden sich oft an Solwodi. Häufig sind es jung verheiratete Frauen in arrangierten Ehen, die Gewalt in der Beziehung erfahren.

Weitere Infos: www.solwodi.de

Sabine Moser