„Kommt, alles ist bereit“
Bei einer ökumenischen Tageswerkstatt haben sich zahlreiche Aktive aus den Gemeinden für den Weltgebetstag am 1. März fit gemacht. Sie eint nicht nur der Wunsch nach Ökumene und Frauensolidarität, wichtig ist allen das Gebet: alleine, in Gemeinschaft und rund um den Erdball.
Als Willkommensgruß gibt es eine slowenische Spezialität: Weißbrot mit Kürbiskernöl und Salz. Gekommen sind an diesem Samstag katholische und evangelische Frauen aus Braunschweig, Vechelde, Salzgitter, Königslutter und Umgebung. Sie gehören zu den meist ökumenisch aufgestellten örtlichen Vorbereitungsteams für den Weltgebetstag.
Bei der Tageswerkstatt im evangelischen Gemeindehaus in Wendeburg wollen sie sich nach Slowenien entführen lassen, mehr über Land, Leute und ihren Glauben erfahren. Sie bereiten sich intensiv in kleinen Arbeitsgruppen vor und feiern am Ende dieses arbeitsreichen Tages schon einmal zusammen den Weltgebetstagsgottesdienst.
Weltgebetstag in über 120 Ländern
Dieses Jahr haben Frauen aus Slowenien – einem der kleinsten und jüngsten Länder der Europäischen Union – den Tag für die ganze Welt vorbereitet. Sie laden mit der Bibelstelle „Kommt, alles ist bereit“ aus dem Lukasevangelium zum Gebet ein, das dann am 1. März ökumenische Frauengruppen in mehr als 120 Ländern rund um den Globus mitbeten werden. Der Weltgebetstag weist immer am ersten Freitag im März auf die Situation von Frauen eines bestimmten Landes hin, in Deutschland wird der Weltgebetstag bereits seit 70 Jahren gefeiert.
Das Symbol des gedeckten Tisches zieht sich durch den ganzen Gottesdienst hindurch. Es ist das zentrale Element“, erklärt Gerlinde Melcher von der evangelisch-lutherischen Gemeinde Völkenrode/Watenbüttel und fängt an, den Tisch zu decken. Melcher hat den Tag zusammen mit der Katholikin Simone Gellrich aus der Braunschweiger Gemeinde St. Aegidien und Renate Senftleben von der evangelisch-lutherischen Stiftskirchengemeinde aus Königslutter vorbereitet. „Wie in jedem Jahr beginnen wir den Gottesdienst mit einem Ruf zum Gebet. Darin preisen wir Gott für die Naturschönheiten und für die Beziehungen, die für das Leben wichtig sind. Um Beziehungen leben zu können, müssen wir unsere Herzen öffnen. Für Gott genauso wie für unsere Mitmenschen. Und auch für die, die bisher noch keinen Platz an unserer Tafel gefunden haben. Denn es ist noch Platz, es ist Platz für alle da.“
Nach und nach füllt sich der Tisch mit Köstlichkeiten aus dem kleinen Balkanstaat: Mit Salz, Brot und Kürbiskernöl, mit Potica – einem Hefekuchen, Rosmarin und Lavendel aus der Küstenregion, Weintrauben von den Weinbaugebieten. Dazu rote Nelken, die in Slowenien nicht fehlen dürfen, eine Bibelübersetzung ins Slowenische und natürlich Klöppelspitze.
Am Tisch in Wendeburg begegnen die Christinnen sozusagen den Frauen aus Slowenien, indem Geschichten aus deren Leben erzählt und vorgelesen werden. Zum Beispiel von einer jungen Forscherin namens Mojca, der 80-jährigen Marija oder der Romafrau Natascha – mit all den Licht-und Schattenseiten. Daneben üben sie die Lieder für den Gottesdienst am Weltgebetstag und folgen gebannt einem Bildvortrag. Er zeigt die reiche Natur- und Kulturvielfalt des Landes.
Zwischen den Naturschönheiten und den Problemen ist eine große Diskrepanz. „Der älteste Weinstock der Welt wächst hier und trägt noch Früchte. Alkoholismus wird jedoch nicht als Krankheit angesehen und ist ein weit verbreitetes Problem“, berichtet Melcher. Auch die wirtschaftliche Situation vieler Menschen sei schwierig. Niedrige Renten, hohe Arbeitslosigkeit gerade von Frauen trotz abgeschlossenem Studium charakterisierten die Lage.
Das Beten ist den Teilnehmerinnen äußerst wichtig: Alleine, gemeinsam und mit der ganzen Welt. „Beten heißt für mich Einhalten. Einhalt gebieten, allem was draußen ist und als Allererstes ganz bei mir sein können. Da kann ich Kraft schöpfen und das mache ich nicht nur gern alleine, sondern auch in Gemeinschaft“, sagt Silke Freienberg.
Ich muss nicht alles selber können
Die Katholikin feiert an diesem 1. März zusammen mit Birgit Eilts von der benachbarten evangelischen Lukasgemeinde den Weltgebetstag. „Beten ist für mich, einen Moment mal von mir selbst abzusehen und festzustellen, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gibt, als ich selbst leisten und begreifen kann“, findet Eilts. Sie ist froh, dass sie es an jemanden abgeben kann. „Das schafft für mich eine ganz große Freiheit. Ich muss nicht alles selbst können.“ Eilts ist seit 25 Jahren bei der Vorbereitung des Weltgebetstages dabei. Zuerst in Augsburg und seit zehn Jahren in Braunschweig. Angefangen hat ihr Engagement in ihrer Gemeinde in Bayern im Team der „kleine Leute Gottesdienste“. Als sich die damalige Gruppe für den Weltgebetstag auflöste, sprang sie ein.
Zum Mittagessen gibt es einen frisch gekochten Kartoffeleintopf nach slowenischem Rezept. „Für mich schafft das gemeinsame Essen eine besondere Form von Gemeinschaft“, sagt Eilts. Damit steht sie nicht alleine. Etliche gehen noch weiter und diskutieren intensiv darüber, ob auch ökumenisch alles bereit ist – bereit für die gemeinsame Kommunion beziehungsweise das gemeinsame Abendmahl.
Ein Gebet umspannt die ganze Welt - Stimmen zum Weltgebetstag
Silke Freienberg (55), katholischen Gemeinde St. Marien in Braunschweig: „Ich bete, wenn ich aufwache, während andere Frauen in anderen Ländern und Erdteilen bereits beten beziehungsweise noch immer beten, wenn ich schlafen gehe. Dieses Gefühl, dass den ganzen Tag jemand auf der Welt ein Gebet spricht, sich den ganzen Tag Menschen gemeinsam die Zeit für das Gebet nehmen, bewegt mich.“
Birgit Eilts (60), evangelisch-lutherischen Lukasgemeinde Braunschweig: „Den Weltgebetstag finde ich einfach cool. Es ist eine irrsinnige Gemeinschaft. Menschen kommen zusammen, die sonst niemals zusammen Gottesdienst feiern. Selbst wenn sie es könnten, tun sie es in der Regel nicht. Es sei denn, es gibt feste Vorlagen. Toll auch, dabei immer wieder neue Länder kennen zu lernen. Und das Gebet, das dort stattfindet, ist für mich ein fantastischer Nachhall, weil es 24 Stunden um die Welt geht. Es ist für mich, als ob ich anfange und es kommt wieder bei mir an.“
Simone Gellrich (51), katholische Gemeinde St. Aegidien Braunschweig: „Dass so viele Menschen ausgehend von den Frauen, die das ja initiiert haben, zusammen beten und alles vor Gott legen, vermittelt das Gefühl einer großen Gemeinschaft rund um die Welt – das finde ich etwas ganz Wichtiges. So kann aus etwas ganz Kleinem etwas ganz Großes werden. So wie das Bild, das die fast blinde Künstlerin für den Weltgebetstag gemacht hat. Sie hat gesagt, ihr Bild ist jetzt in der ganzen Welt. So ist es mit dem Gebet, weil es Menschen auf der ganzen Welt gemeinsam beten.“
Jacqueline Neudberger(70), katholische Gemeinde St. Marien Braunschweig: „Ich bete aus verschiedenen Gründen am Weltgebetstag mit. Einmal bete ich gerne mit anderen Christinnen und Christen zusammen. Ich bin da verbunden über die ganze Welt an dem Tag. Außerdem ist mir die Solidarität mit den Frauen in den Vorbereitungsländern und der Welt wichtig. Denn wir organisieren diese Tage ja auch, um Spenden zu sammeln und dadurch Schwierigkeiten und Nöte dort zu lindern.“
Sabine Moser