Freunde auf vier Pfoten

Knapp ein Dutzend Männer sitzen in einem kleinen Innenhof der Justizvollzugsanstalt (JVA) Wolfenbüttel. Sie warten auf Luna und Lotta, zwei Besuchshunde vom Malteser Hilfsdienst. Regelmäßig kommen sie vorbei, um mit den Insassen zu spielen. Sie bringen Licht und Freude in den tristen Knastalltag.

Die Atmosphäre ist entspannt hinterm Katzenhaus – einem Innenhof der JVA Wolfenbüttel. Einige Männer sitzen auf Bänken, andere spielen mit zwei mittelgroßen, dunkelhaarigen Hunden, machen mit ihnen Kunststücke, geben ihnen Leckerlis. Mit dabei sind zwei Frauen, die sich angeregt mit den Männern unterhalten. Die Gespräche drehen sich um die beiden Vierbeiner, auf deren Kenndecken unter dem Wappen der Malteser „Besuchshund“ steht. Ohne die Mauern mit dem Stacheldraht könnte sich diese Szene überall abspielen.

Mit ihren ausgebildeten Besuchshunden Luna und Lotta kommen Marion und Beate vom Malteser Hilfsdienst aus Braunschweig seit fast einem Jahr ehrenamtlich zu Besuch ins Gefängnis – im Schnitt einmal pro Monat. Für die Män- ner ist das eine Freizeitmaßnahme.

Alex M.* ist schon länger in Haft. „Ich habe mich angemeldet, weil ich gern mal wieder Kontakt zu Tieren haben wollte,“ sagt der Mann mit grauem Stoppelbart und Brille. Markus B.* hatte seit seiner Kindheit Hunde verschiedener Rassen. „Ich bin mit Tieren aufgewachsen“, sagt er froh. „Ich bin hier, weil Hunde einen nicht hintergehen“, findet Harald G.*, ein hagerer grauhaariger Mann mit Tatoos auf beiden Armen.

„Lotta war von Anfang an eine Menschenfreundin und mochte den Kontakt zu Kindern und Erwachsenen. Sie ist jederzeit ansprechbar, spielt gern und freut sich über jeden Kontakt. Sie war nie ängstlich oder schreckhaft. Auch mit Menschen mit Einschränkungen hat sie bereits als Welpe Erfahrung gemacht. Zum Zeitpunkt des Eignungstest, der die Voraussetzung war, die Ausbildung bei den Maltesern zu beginnen, war sie 14 Monate alt”, erzählt Hundehalterin Beate.

Abwechslung im eintönigen Knastalltag Wer hat Interesse, regelmäßig Kontakt zu einem Vierbeiner aufzunehmen? – Auf diese Frage hin meldeten sich in der JVA zahlreiche Häftlinge. Wie so vieles im Gefängnis läuft das über eine schriftliche Anmeldung bei Thomas John, dem Dienstleiter der JVA Wolfenbüttel. Er macht die Dienstplanung für die Mitarbeiter der Anstalt und bearbeitet Anträge der Gefangenen, so auch die Anmeldungen für die Freizeitmaßnahme mit den Besuchshunden.

Für die Männer ist es Abwechslung vom eintönigen Gefängnisalltag. „Hunde sind sehr direkt. Schön, dass sie auf unterschiedliche Menschen unterschiedlich reagieren“, findet Beate. Mit ihrer ungestümen Art bringen die Tiere regelrecht Freude in den Knast. Kein Wunder, dass die Atmosphäre so angenehm ist. „Wir sprechen uns nur mit Vornamen an und reden weder über Privates noch über Straftaten“, sagt Marion. Dass die Häftlinge von den Frauen nur die Vornamen kennen und weiter nichts, ist eine Schutzmaßnahme, auch für die Zeit nach dem Knast. Und die Hundeführerinnen wissen nicht, für welche Taten die Langzeitgefangenen hier einsitzen. Das ist eine Abmachung zwischen den Maltesern und der JVA.

Die Männer sind zwar an der Außenwelt interessiert, halten sich aber an die Vereinbarung. So wollen sie wissen, wen die Vierbeiner noch besuchen und sind ganz erstaunt zu erfahren, wie wichtig es gerade im Altenheim für die Hunde ist, aufs Wort zu hören und das Leckerli erst zu fressen, wenn sie von ihrer Hundeführerin das OK bekommen. Marion und Beate berichten, dass gerade demenzerkrankte Menschen den Tieren gerne alles geben, was sie haben, das könnte auch eine für die Hunde tödliche Herztablette sein.

„Luna ist eine freundliche, aufgeweckte und den Menschen zugewandte Hündin. Sie schwimmt und apportiert sehr gerne jeden beliebigen Gegenstand und verkauft Haus und Hof für Eis, zeigt auch gerne Tricks und macht Suchspiele oder lässt sich kraulen. Ihre offene Art und mein Wunsch mit Luna gemeinsam anderen Menschen Freude zu bereiten und für Kurzweile zu sorgen, haben mich veranlasst, mich über den Besuchshundedienst der Malteser zu informieren. Den Eignungstest bestanden wir im Dezember 2015 und die Ausbildung startete dann im Januar 2016“, sagt Marion.

Ein Mann mit Bart zwischen Mitte 30 und Mitte 40 ist heute das erste Mal dabei. Er macht ganz tolle Kunststücke mit der knapp 8-jährigen Mischlingshündin Luna und seine Augen strahlen vor Freude und Stolz, weil das Tier ihn als Autorität akzeptiert. Luna zeigt direkt, dass sie die „Ansage“ zu „Gib mir fünf“ versteht und klatscht mit ihrer Pfote auf die Hand des Mannes.

„Anfangs ging es bei den Besuchen nur ums Streicheln und Spielen“, so John. Inzwischen ständen auch Unterordnungsübungen wie Sitz und Platz auf der Tagesordnung. Da macht die gelehrige 4-jährige Lotta – halb Tibet-Terrier, halb Labrador – freudig mit.

Immer mehr Häftlinge wollen dabei sein „Mittlerweile sind 14 Inhaftierte bei den Treffen mit den Hunden dabei. Es werden immer mehr“, erzählt John. Die Rückmeldungen sind durchweg positiv, sie warten schon auf den nächsten Termin mit den Freunden auf vier Pfoten. „Es sind so genannte Langstrafige, besonders Gefährlicher ist keiner dabei“, erzählt der Justizvollzugsbeamte.

„Als ich das erste Mal hierher ins Gefängnis kam, hatte ich Bedenken“, sagt Beate. Dass Zuwendung jedem gut tut, haben die beiden Ehrenamtlichen bereits bei ihrem ersten Besuch erkannt. „Hier werden wir richtig mit angenehmen Umgangsformen verwöhnt“, erzählen die Frauen. Alle haben sich von ihrer Schokoladenseite gezeigt – Mensch und Tier.

Nach einer Stunde ist der Besuch vorbei und die Männer werden zurück in ihre Zellen gebracht. Sie verabschieden sich äußerst höflich und freundlich – und das ist keinesfalls gespielt. Man spürt die Fröhlichkeit, die die Vierbeiner in den Alltag gebracht haben. Für die Tiere ist eine Stunde als Besuchshund sehr anstrengend. Oft schlafen Luna und Lotta auf der Rückfahrt im Auto erst einmal ein. *Namen von der Redaktion geändert.

NACHGEFRAGT

Tierischer Besuch hinter Gittern – im Gefängnis Wolfenbüttel ein Erfolgsmodell

Seit knapp sechs Jahren sind in Braunschweig zwanzig ehrenamtliche Mensch-Hunde-Teams der Malteser unterwegs. Die Vierbeiner besuchen Altenheime, Kindergärten, Schulen und gelegentlich auch Einzelpersonen. Sie bringen den Menschen Freude – jetzt auch in der Justizvollzugsanstalt in Wolfenbüttel. Initiiert von Frank Stautmeister.

Vor dem Einsatz gab es erhebliche Bedenken. Welche waren das?

Einige haben befürchtet, dass die Insassen nach ihrer Haftentlassung, Kontakt zu den Hundeführerinnen suchen und plötzlich auf der Matte stehen. Diesen ‚Service‘ haben die Insassen nicht verdient, war die Meinung einer anderen Gruppe. Ja, es sind alles verurteilte Straftäter, aber es sind eben auch Menschen. Eine Gruppenabstimmung hat dem Projekt – mit einigen Enthaltungen jedoch ohne Nein-Stimmen – das OK gegeben.

Was gab den Umschwung?

Thomas John, der Leiter der JVA, berichtete vom Gefängnisalltag und anderen ehrenamtlich Tätigen – auch von der Deutschlehrerin, die – problemlos – zwölf Gefangene unterrichtet und nur ein Beamter dabei anwesend ist. Den Frauen wurde deutlich, dass Hundebesuch hinter Gittern für die Häftlinge ein Bonbon in ihrem eintönigen Leben ist. Und Bonbons müssen sich in der JVA sehr hart verdient werden. Die Erfahrung zeigt, die Insassen sind froh und dankbar über diese Gelegenheit zum Kontakt mit Hunden. Das wollen sie durch falsches Verhalten nicht gefährden.

Sie wissen ja nicht, was die Gefangenen auf dem Kerbholz haben. War es schwierig Hundeführerinnen zu finden?

Grundsätzlich ist es uns egal, welche Verbrechen die Gefangenen begangen haben. Wir haben dem Gefängnis gesagt, dass wir aus Sicherheitsgründen keine Sexualstraftäter mit dabei haben wollen. Für die Einhaltung sorgt Thomas John von der JVA, bei dem sich die Teilnehmer für diese Freizeitmaßnahme hinter Gittern anmelden müssen. Zwei Hundeführerinnen haben sich gefunden. Die beiden Damen kommen gut im Männerknast zurecht.

Wie wird das Angebot bei den Gefangenen angenommen?

Es gibt sehr positive Rückmeldungen von den Insassen. Sie freuen sich auf die schöne Abwechslung vom tristen Alltag und sind begeistert dabei, die Hunde zu streicheln und mit ihnen zu spielen. Einige hatten früher selbst Hunde und haben eine hohe Affinität zu den Tieren.

Welches Ziel verfolgen Sie mit den Besuchshunden?

Die Idee war einfach, den Menschen Freude zu bereiten. Zum Beispiel in Senioreneinrichtungen. Normalerweise kommen die alten Menschen mit Hunden nicht mehr in Berührung. Fremde Hunde dürfen sie nicht anfassen, das ist gefährlich. Und hier haben sie Kontakt zu geprüften Tieren, die völlig unauffällig sind. Was wir im Nachhinein festgestellt haben ist, dass Reaktionen auch bei Menschen ausgelöst werden, die schon lange nicht mehr reagiert oder gesprochen haben. Das ist fast schon eine Therapie.

Dass ein Hund aufs Wort hören muss und ohne Erlaubnis von Herrchen oder Frauchen nichts Fressen darf, ist klar. Aber welche Eigenschaften, welches Temperament muss der Hund mitbringen, um als Besuchshund geeignet zu sein?

Hund und Hundeführer müssen einander verstehen und der Hund muss sehr gutmütig sein. Der Mensch muss erkennen, wenn der Hund Stress hat, und die Situation notfalls sofort abbrechen. Ein Besuch in der JVA oder im Altenheim ist für die Tiere nämlich sehr anstrengend. Im Prinzip sind alle Hunderassen in jeder Größe geeignet. Beinahe hätten wir sogar einen Malteser als Besuchshund bekommen, nur leider passte das Herrchen nicht dazu. Allerdings sind Schutzhunderassen wie Dobermänner, Rottweiler oder Deutsche Schäferhunde von ihrer Struktur her eher als Rettungshund geeignet. Wir müssen den Hund testen, Herrchen oder Frauchen testen, wir müssen die Zwei- und Vierbeiner gemeinsam testen und wissen, ob sie in eine Gruppe passen. Häufig besuchen nämlich zwei Hund-Menschen-Teams gemeinsam die Einrichtungen. Letztendlich kommen nur zehn Prozent aller Getesteten durch.

Können Sie ein Beispiel für einen Test nennen?

Die Testperson setzt sich auf einen Stuhl vor den Hund, zieht ihn am Halsband ganz nahe heran und starrt ihm in die Augen. Für das Tier ist das eine Kampfansage. Wenn der Hund jetzt ängstlich ist und zurückweicht, hat er diesen Test bestanden. Er darf nur nicht aggressiv werden.

Wie lange dauert die Ausbildung?

Nach den umfangreichen Eignungstests dauert die Ausbildung etwa ein halbes Jahr. Sie findet meist am Wochenende statt. Neben verschiedenen Wochenendkursen für die Hundeführer, bedeutet das etwa eineinhalb Stunden Training für die Hunde pro Woche. Danach beträgt der wöchentliche Zeitaufwand für die Hunde-Menschen-Teams ungefähr zwei Stunden.

Weitere Infos zum Besuchshundedienst unter www.besuchshunde-braunschweig.de oder info(ät)besuchshunde-braunschweig.de

Interview: Sabine Moser