Firmlinge pilgern auf dem Braunschweiger Jakobsweg nach Hildesheim
Nach dem Palmsonntagsgottesdienst hat sich eine Gruppe von Firmlingen aus St. Aegidien mit ihren Begleitern zu Fuß auf den Weg nach Hildesheim gemacht. In drei Tagen wollen sie die große Chrisam-Messe im Dom mitfeiern.
Braunschweig. Vor dem Leisewitzhaus steht ein gutes Dutzend Jugendlicher, alle haben feste Schuhe an und einen kleinen Rucksack dabei, den ein grüner, frisch geweihter Zweig schmückt. Es ist Palmsonntag. Die 15- bis 17-Jährigen kommen direkt vom Gottesdienst in der St. Aegidien-Kirche gegenüber. Sie stärken sich mit Käsewürfeln, Tomaten und Minisalamis, einige tippen noch schnell etwas auf ihrem Smartphone. Denn gleich geht es los in Richtung Hildesheim und beim Pilgern soll das geliebte elektronische Gerät im Rucksack bleiben.
Jeder Tag hat ein eigenes Motto: Sonntag Glaube, Montag Liebe, Dienstag Hoffnung und Mittwoch geht es dann zur Chrisam-Messe. Für jede erfolgreich bewältigte Etappe der Firmwanderung auf dem Jakobsweg bekommen sie einen Stempel. So steht es im eigens gefertigten Pilgerpass.
Erste Station zum Thema Glauben ist die Christussäule zwischen Rathaus und Burg. Danach führt der Braunschweiger Jakobsweg – erkennbar an der gelben Jakobsmuschel auf blauem Grund – die Jugendlichen entlang zahlreicher Gotteshäuser zur Kirche Heilig Geist in Braunschweig-Lehndorf. Zeit zur Mittagspause auf der Wiese hinter der Kirche. Hier verpflegen sie sich selbst. In den weiteren Pfarrheimen wird für die Jugendlichen gekocht. Ein dreiköpfiges Koch- und Technikteam ist dafür zuständig. Sie sind mit dem schwereren Gepäck der jungen Pilger bereits zum ersten Pfarrheim der Reise, nach St. Gereon in Vechelde, gefahren.
Von Heilig Geist geht es in den Westpark der Stadt. Vor einem überdimensional großen goldfarbenen Bilderrahmen gestaltet Raphaela Feist eine Station zum Thema Begegnung mit Gott. Sie ist Jugendreferentin des Dekanates Braunschweig. Hier ist natürlich für alle ein Fototermin angesagt. Und schon geht es Richtung Vechelde, dem heutigen Ziel.
Idee zur Aktion hatte die Gemeindereferentin der Pfarrei Sara Asbach: „In der Gemeinde, wo ich vorher war, gab es auch eine größere Firmwanderung.“ Eine große Herausforderung für die Teenager, die sich auf ihre Firmung im Juni vorbereiten. Soweit sie sich erinnern, ist bisher noch niemand von ihnen mehr als 10 Kilometer am Stück gelaufen. Nun haben sie sich aufgemacht entlang des Braunschweiger Jakobsweges in Tagesetappen von etwa 15 bis 25 Kilometern nach Hildesheim zu wandern. Dort angekommen werden sie gemeinsam mit Hunderten junger Menschen am Vorabend von Gründonnerstag die Messse im Dom feiern, bei der Bischof Norbert Trelle die heiligen Öle, die für die Sakramente im Bistum gebraucht werden, weiht. Unterwegs übernachten sie in den Pfarrheimen in Vechelde, Hoheneggelsen und Ottbergen. In Ottbergen wird sie dann Propst Reinhard Heine besuchen.
Bei strahlend blauem Himmel und Frühlingstemperaturen herrscht gute Stimmung in der Runde. Niemand fragt, „Wie weit ist es denn noch?“ Es ist den Jugendlichen anzumerken, dass sie sich auf etwas Neues einlassen, manche unterhalten sich ruhig, andere gehen still und schweigsam gemeinsam den Weg. Noch fehlt ihnen die Erfahrung mit dem Pilgern. Deshalb möchten auch nicht alle darüber sprechen, was sie bewegt oder was sie erwarten.
Einer der Firmlinge ist Florian (16). Der große, ganz in schwarz gekleidete Jugendliche sagt zuerst, dass er beim Pilgern eigentlich gar nichts erwarte. Beim Gespräch wird er offener und spricht über seine Gedanken: „Es gibt viele Zusammenhänge, vielleicht kann ich übers Leben nachdenken, sonst bin ich die ganze Zeit am Computer, esse und schlafe.“ Dann sagt er, dass es noch einige Jugendliche in der Gruppe gibt, die sich ebenso wie er viele Gedanken machen.
Die 16-jährige Ornella – ein Lockenkopf im grauen Kapuzensweat – erhofft sich auf dem Weg Momente zum Nachdenken. Auch darüber, was sie im eigenen Leben besser machen kann. Gezielt möchte sie sich Gedanken über einen Streit mit der eigenen Schwester machen. „Ich denke es wird anstrengend, aber auch viel Spaß machen, wir haben uns darauf gefreut“, sagt sie sichtlich fröhlich.
Die Vorbereitung zur Firmung startete in St. Aegidien im November vergangenen Jahres. Mit ihren Katecheten treffen sich die Mädchen und Jungen einmal pro Monat und haben auch das SMS-Wochenende „Sehnsucht meiner Seele“ besucht – ein Angebot der Diözese.
Einer der Katecheten ist Dr. Frank Hesping. Er engagiert sich in seiner Freizeit auch als Pilgerbegleiter beim Braunschweiger Jakobsweg, der inzwischen bis zum Raffteich ausgeschildert ist. Im Sommer soll die Strecke Richtung Hildesheim weiter beschildert werden und bald den Weg nach Santiago de Compostela in Nordwestspanien weisen.
„Der Braunschweiger Jakobsweg ist eine alte Handelsroute. Er heißt Hellweg wie der gleichnamige Baumarkt“, erklärt Hesping, der auf seinen Wegen seinen kunstvoll gefertigten Pilgerstock dabei hat. „Viele Pilger in der Region laufen ein bis zwei Tage. Eigentlich braucht man eine Woche, dann ist der Kopf angekommen“, berichtet er aus Erfahrung. „Jugendliche laufen meist nicht so viel, dazu haben sie bei ihrem dauernden Entertainment gar keine Zeit."
Deshalb werden die Firmlinge auf ihrem Weg auch einmal in Stille pilgern. Zum einen, um ihren eigenen Rhythmus zu finden, zum andern, um zu erkennen: Der Weg ist das Ziel. „Das wird eine Grenzerfahrung für die Jugendlichen werden“, vermutet Hesping.
Im Fluge ist die Zeit vergangen, wenn man Ornella oder Florian jetzt fragt. Das hatten beide nicht so erwartet.„Es war sehr schön, ich habe viele Erfahrungen gesammelt und wir haben uns alle gut verstanden", berichtet die Jugendliche. Am ersten Tag war das Laufen für die 16-Jährige noch sehr anstrengend gewesen, viele aus der Gruppe hatten auch mit Blasen zu kämpfen. Da hatte Ornella Glück. Schnell hat sie sich ans Pensum gewöhnt und genoß auch die Zeit, in der sie in Ruhe wanderte. Gut fand sie die zahlreichen Anregungen der Betreuer auf der Tour und dass sie vom Kochteam verwöhnt wurden. So wie sie kann sich auch Florian vorstellen, wieder zu pilgern: „Es hat mir supergut gefallen. Alles war schön strukturiert, wir hatten immer etwas zu tun, so dass keine Langeweile aufgekommen ist."
Hintergrund Braunschweiger Jakobsweg:
Quer durch Niedersachsen verlaufen die beiden alten Hauptrouten des Jakobsweges: Die Via Baltica und die Via Sandinavica. Der Jakobsweg ist nämlich kein einzelner Weg, sondern ein Geflecht vieler Wege. Eine Nebenroute führt durch das Braunschweiger Land und verläuft von Magdeburg über Hildesheim nach Höxter. Die Strecke von Braunschweig (Raffteich) soll diesen Sommer Richtung Hildesheim weiter ausgeschildert werden. Auch ein Stempelpass ist in Planung.
Sabine Moser