Fast 20 Jahre hinter Gittern
Er feiert Wortgottesdienst mit notorischen Schwarzfahrern, Kleinkriminellen, Gewalttätern, Sexualstraftätern und Mitgliedern der organisierten Kriminalität. Nun geht Justizvollzugsseelsorger Franz-Josef Christoph von der JVA Braunschweig in den Ruhestand.
„Für alle bin ich der Pastor“, sagt Pastoralreferent Franz-Josef Christoph, zu dem im Knast Menschen aller Religionen und Weltanschauungen kommen. „In der Regel schaue ich nicht nach, was jemand getan hat. Ich möchte unvoreingenommen bleiben und es den Leuten selbst überlassen, wie sie mit ihrer Haftsituation und den Tatvorwürfen umgehen, sprich, ob sie von ihren Taten erzählen wollen oder nicht“, betont der katholische Theologe. „Wenn es zum Gespräch darüber kommt, folgen nicht selten Existenzfragen: Gibt es einen Gott und wenn ja, wie steht er dazu?“
Christoph vertraut den Männern, die zu ihm kommen: „Ich gehe immer davon aus, wenn jemand den Seelsorger sprechen will, wird er sicher nichts Böses tun.“ In seiner Grundhaltung ist der 62-Jährige positiv eingestellt. Nur wer zu penetrant Tabak – die Hauptwährung im Knast – oder Auskünfte fordert, bekommt mit ihm ein Problem.
Seit November 2001 tut er seinen Dienst in der JVA Braunschweig, vorher arbeitete der ausgebildete Supervisor und Theologe neun Jahre lang in der forensischen Psychiatrie in Moringen. „Durch meine Tätigkeit im Maßregelvollzug war ich in gewisser Weise schon vorbereitet.“ Jedoch verlaufe die Arbeit mit den Klienten in der Untersuchungshaft völlig anders, weil hier die Fluktuation viel größer ist.
Angefangen hat Christoph im damals reinen Untersuchungsgefängnis auf dem Rennelberg mit einer halben Stelle, daneben war er als Supervisor für das Bistum und in der Ausbildung der Pastoralassistenten tätig. Nach und nach hat er seine Stunden in der JVA bis zur vollen Stelle aufgestockt.
In seiner Zeit haben sie die Haftbedingungen stark verbessert, die Aufschlusszeiten wurden verlängert und mehr Gelegenheiten zur Arbeit gegeben. Inzwischen ist er hier der einzige Gefängnisseelsorger, seit im vergangenen Jahr die Stelle seines evangelischen Kollegen weggefallen ist.
Für Häftlinge, Angehörige und Vollzugspersonal
Christoph ist nicht nur für die Häftlinge da, er telefoniert mit den Angehörigen und hat auch für das Vollzugspersonal ein offenes Ohr. „Diese Dreiecksgeschichte ist nicht immer einfach zu händeln. Es ist wichtig, eine möglichst neutrale Position zu behalten.“ Häufig kontaktieren Häftlinge den Seelsorger, weil ihnen anfangs alle Kontakte nach Außen untersagt sind und sie unbedingt wissen wollen, ob ihre Angehörigen noch zu ihnen stehen. Die Insassen dürfen nämlich nur Briefe schreiben, Postgeheimnis gibt es da keines. Deshalb dauert so ein Brief auch ungefähr 14 Tage, bis er die Angehörigen erreicht. „Das mache ganz viele unsicher und unruhig“, sagt der Seelsorger.
Daneben ist er Ansprechpartner für seine Kolleginnen und Kollegen in der Gefangenen-Telefonseelsorge in Niedersachsen. Wegen der erhöhten Suizidgefahr bei Haftbeginn können seit 2010 Inhaftierte in psychischer Not zwischen 21 und 6 Uhr von einem speziellen Telefonzugang in ihrem Haftraum einen der knapp zwanzig Seelsorger erreichen, zweimal im Monat auch ihn. Oft ist dieser Dienst mit einer besonderen Belastung für die Seelsorger verbunden. Weil der Anruf völlig anonym ist, können sie bei Gefahr nicht eingreifen: „Wir können den Anrufer nur auffordern, mit der Notglocke im Haftraum den Nachtdienst der Anstalt zu alarmieren“, erzählt er. Bei der Verarbeitung brenzliger Fälle gibt es eine gut funktionierende kollegiale Beratung der Seelsorger untereinander.
Wenn Franz-Josef Christoph nun in den Ruhestand geht, dann soll es nicht ganz ruhig werden. Er möchte seinen Radsport intensiver betreiben und Deutschunterricht für Flüchtlinge geben.
Sabine Moser