Die Opfer der NS-Justiz nicht vergessen
Die NS-Gedenkstätte in der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel hat am Sonntag ihr neu errichtetes Dokumentationszentrum eröffnet. Sie will ein Ort der Aufklärung und des Gedenkens sein.
Die Gedenkstätte und die neue Ausstellung sollten künftig zu wichtigen Orten der Aufklärung und des Gedenkens werden, sagte Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) bei einem Festakt im Wolfenbütteler Lessingtheater: „Sie zeigen eindrucksvoll, wie schnell der Rechtsstaat ausgehöhlt und am Ende abgeschafft werden kann, wie fragil die Grundrechte und die Demokratie sind, wenn sie nicht verteidigt und mit Leben gefüllt werden.“
Dauerausstellung: Recht, Verbrechen, Folgen
Mit dem rund fünf Millionen teuren Neubau ist Wolfenbüttel nach Angaben der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten die zentrale deutsche Gedenkstätte zur Geschichte von Justiz und Strafvollzug im Nationalsozialismus. Dort ist künftig die Dauerausstellung „Recht, Verbrechen, Folgen – Das Strafgefängnis Wolfenbüttel im Nationalsozialismus“ zu sehen. Auf rund 300 Quadratmetern zeigen dabei mehrere Hundert Dokumente, Fotos und Exponate, wie eng Justiz und Strafvollzug im NS-Staat mit dem System von Terror und Verfolgung verflochten waren. Mit Hilfe moderner Computer- und Bildtechnik zeichnet die Ausstellung unter anderem die Biografien einzelner Opfer und Täter nach.
Die Nazis hatten im Strafgefängnis Wolfenbüttel ihre zentrale Hinrichtungsstätte für Norddeutschland eingerichtet. Zwischen 1937 und 1945 starben dort 526 Menschen durch das Fallbeil. Weitere 500 Häftlinge kamen durch Hunger, Krankheit, Zwangsarbeit oder Erschöpfung ums Leben. Exekutiert wurden vor allem rassistisch und sozial Ausgegrenzte, politisch Andersdenkende, „Zeugen Jehovas“ und Homosexuelle, aber auch Widerstandskämpfer. Nach Kriegsende vollstreckte das britische Militär hier 67 Todesurteile gegen NS-Kriegsverbrecher.
Die Dauerausstellung stelle dieseshistorische Kapitel umfassend und auf aktuellem Forschungsstand dar, sagte Tonne als Vorsitzender des Stiftungsrates vor mehr als 300 geladenen Gästen. „Damit bereichert sie die Gedenkstätten- Landschaft in Niedersachsen und bundesweit um ein ganz sensibles Thema.“
Die Gedenkstätte ist nun frei besuchbar
Der Neubau ist in die Außenmauer der JVA integriert, so dass Besucher die Ausstellung betreten können, ohne zuvor Sicherheitskontrollen durchlaufen zu müssen. Ein großes Fenster ermöglicht den Blick auf das ehemalige Hinrichtungsgebäude oder die Todeszelle im Inneren des Gefängnisses. Führungen zu den historischen Orten sind weiterhin nur nach Anmeldung erlaubt. Die Kosten für das Dokumentationszentrum, das in dreijähriger Bauzeit entstand, teilen sich der Bund und das Land Niedersachsen. Mehr als 1,3 Millionen Euro wurden allein für Forschung und museumspädagogische Aufbereitung verwendet. Die Ausstellung geht auch auf die Rolle der Justiz in der jungen Bundesrepublik ein. Die Gedenkstätte in der JVA war 1990 eingerichtet worden.
epd
Zur Sache: Besichtigung und Buch
Die Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel ist dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist kostenfrei. Historische Bereiche liegen im Sicherheitsbereich der JVA und lassen sich nur nach vorheriger Anmeldung besichtigen. Das neue Dokumentationszentrum ist vom 19. November an für die Öffentlichkeit zugänglich. Zur Dauerausstellung der NS-Gedenkstätte erschien am 18. November im Göttinger Wallstein-Verlag das Buch „Recht - Verbrechen - Folgen. Das Strafgefängnis Wolfenbüttel im Nationalsozialismus“, herausgegeben von Jens-Christian Wagner und Martina Staats, 296 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 978-3- 8353-3532-5