Abschied vom Regionalkantor
Der Kirchenmusiker Bernhard Schneider geht nach 35 Jahren in den Ruhestand. Er leistete in Braunschweig Pionierarbeit und machte St. Aegidien zu einer erstklassigen Adresse für Chor- und Orgelkonzerte.
Bernhard Schneider (65) stellt sich liebend gern musikalischen Herausforderungen. Im Braunschweiger Liebfrauenmünster St. Aegidien spielt er in Gemeindegottesdiensten und bei zahlreichen Konzerten die Orgel. Oft stellt er das gesamte Orgelwerk eines bekannten Komponisten wie Bach, Reger oder Mendelssohn Bartholdy in mehreren Konzerten vor. Dazu kommen vielfaltige Chorkonzerte, Musicals und Oratorien mit ihren zahlreichen Chören – quer durch die Musikgeschichte. „Dass man sowohl Pop und Jazz machen kann als auch mittelalterliche oder ganz moderne avantgardistische Musik ist schon ein Schatz“, betont Schneider. Ende Juni geht der Braunschweiger Regionalkantor nun in den Ruhestand.
„Die schönste Orgel in Braunschweig“
„Für mich ist unsere Orgel das schönste Instrument in Braunschweig“, schwärmt der gebürtige Münchner über die Klais-Orgel aus dem Jahr 1965 in St. Aegidien. Schneider studierte in München, Lausanne und Paris das Konzertfach Orgel, Schulmusik sowie Katholische Kirchenmusik.
Als der Kirchenmusiker 1986 von Altötting nach Braunschweig wechselte, herrschte im Bistum Hildesheim eine Aufbruchstimmung. Die Kirchenmusik sollte im Sinne des 2. Vatikanischen Konzils erneuert werden. „Man wollte ein Netz von insgesamt neun hauptamtlichen Kirchenmusikern übers ganze Bistum legen“, erinnert er sich. Seine Stelle war die erste, die besetzt wurde.
Schneider übernahm die Leitung des Münsterchores und leistete strukturelle Aufbauarbeit in der Kirchenmusik der Region, engagierte sich in der Aus- und Fortbildung nebenberuflicher Kirchenmusiker, gründete 1993 die Choralschola und Anfang der 2000er eine kirchliche Singschule, in der mehrere Hundert Kinder und Erwachsene das Singen lernen.
Chorarbeit mit jungen Menschen ist ihm wichtig
Die ganzheitliche Kinderchorarbeit liegt ihm dabei besonders am Herzen, so kooperierte die Singschule bald mit den katholischen Grundschulen Hinter der Masch und Edith Stein. „Da habe ich jede Woche mit 250 Mädchen und Jungen mehrmals gesungen.“ Diese Breitenarbeit ermöglichte es ihm, die Pueri Cantores zu gründen, einen Chor für Kinder und Jugendliche mit hohem Leistungsstandard. „Sie treten bei internationalen Chorfestivals auf“, freut sich der Vollblutmusiker. Aber auch mit den Erwachsenenchören war er regelmäßig im In- und Ausland unterwegs, machte Station in Barcelona, Paris, Danzig und Wien.
Schneider hatte von Anfang an ein sehr gutes Verhältnis zu seinen evangelischen Kollegen: „Ich bin bei ihren Kirchenmusikerkonventen dabei und war immer eingeladen, an allen größeren Veranstaltungen teilzunehmen – auch mit Chor.“ Bereits in der Bewerbungskommission für seine Stelle war der evangelische Landeskirchenmusikdirektor mit im Gremium. „Das Bistum wollte ein Zeichen setzen, dass es auch auf katholischer Seite einen Kirchenmusiker in Braunschweig gibt, der in der Liga der evangelischen Kollegen mitspielen kann“, erklärt Schneider.
Als Chorleiter und Organist ließ er sich auch für besondere Aktionen begeistern. So initiierte der Regionalkantor zum 1200-jährigen Bistumsjubiläum 2015 ein großes Kinderliederfest quer durch die Diözese und organisierte zum 50. Jubiläum der Klais-Orgel in St. Aegidien im gleichen Jahr fünf reine Improvisationskonzerte. „Alles war einzigartig, was in diesen Konzerten erklang und sie wurden auch nicht aufgezeichnet. Improvisationen sind nicht dazu gedacht, wiederholbar zu sein“, betont der Künstler.
Neuaufbau nach Corona
Wegen der Corona-Pandemie sei die Chorarbeit praktisch zum Erliegen gekommen. Zu den Hochzeiten waren es gut 300 Sängerinnen und Sänger. Wie viele Chorsänger danach gerade bei den Kindern und Jugendlichen noch dabei sein werden, ist für Schneider eine große Frage. Zudem fehlten bereits jetzt zwei Jahrgänge Nachwuchs. „Da wird ein völliger Neuaufbau nötig sein“, befürchtet der 65-Jährige. Eine Aufgabe für seine Nachfolge. Wer diese antreten wird, weiß der Musiker noch nicht.
Für seine Zukunft als Rentner hat sich Schneider bereits Gedanken gemacht: „Pläne habe ich, weil man ja auch Ziele und Aufgaben braucht.“ Bereits fest steht, dass er für sich und seine Frau einen Chor zum Mitsingen sucht und er Cello lernen will. „Das Instrument steht schon zu Hause, ein Lehrer ist engagiert“, sagt er mit spürbarer Vorfreude.
Bei seinem letzten Orgelkonzert als Regionalkantor spielt Bernhard Schneider in St. Aegidien am Sonntag, 27. Juni, um 20 Uhr Werke von Bach, Reger und Guilmant (Anmeldung unter: www.aegidien.de/konzerte/anmeldung.php)
Sabine Moser